Textkritik: JuliensBlog – 11. September

Ich schreibe. In der letzten Zeit zwar eher wenig, ich weiß, aber ganz allgemein ist es eine Tatsache, dass ich schreibe. Das überrascht euch jetzt vermutlich nicht, immerhin lest ihr ja meine Texte. (Es sei denn, dies ist euer erster Besuch hier. In dem Fall: Willkommen auf meinem Blog!) Ebensowenig sollte es euch schockieren, dass ich nicht nur schreibe, sondern auch lese. Warum lese ich? Nun, der Hauptgrund ist schnell genannt: Es macht mir Freude, es unterhält mich. Es bringt mich zum Lachen, viel mehr aber noch zum Nachdenken. Kurz gefasst: Ich lese gerne, weil ich damit positive Dinge empfinde.
Manchmal trifft das aber nicht zu, und das kann an dem Material liegen, das ich lese. Es gibt wunderbare Texte, brillante Geschichten und fantastische Erzählungen… aber natürlich gibt es auch Texte, bei denen man unweigerlich die Hände über den Kopf zusammenschlägt und das gesamte Umfeld des Autoren bemitleidet. Ich kam bedauerlicherweise in den „Genuss“, einen solchen Text lesen zu dürfen, und möchte die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, von der Inkompetenz des Autors zu profitieren und einen eigenen Text daraus zu gewinnen.

Fremdschämanfällige Leser möchten sich nun bitte entfernen. An die Übrigen: Handys, Spielkonsolen und Herzschrittmacher bitte ausschalten. Ich präsentiere euch nun den Text „JuliensBlog – 11. September“ aus CodricsBlog.

Der Autor schreibt erst einmal einen endlos langen Absatz über Toleranz und Grenzen von Humor. Irgendwann kommt er auch langsam zum Punkt, als er davon redet, dass „seine Grenzen überschritten wurden“. Erfahren wir nun also, welch schändliche Gräueltat die moralischen Grenzen dieses, wie er sich bezeichnet, „17-jährigen Jugendlichen, der kaum über nennenswerte Lebenserfahrung verfügt“ überschritten hat, weswegen wir den vollen Ausmaß seines grauenhaften Zorns erfahren dürfen: Der YouTuber „JuliensBlog“ ist furchtbar pöhse.

Wer den YouTuber JuliensBlog nicht kennt, sollte sich zunächst einmal glücklich schätzen, muss aber nun nicht zwangsläufig mit dem Lesen aufhören. Ich selber habe mir für diesen Text nur einige Videos von ihm angesehen und kenne den Großteil seiner Werke nicht; entsprechend mag man mir ein paar eventuelle Fehleinschätzungen bitte verzeihen.

Nein, wir verzeihen nicht. Ich ignoriere mal den schlechten Witz zu Beginn – ganz ohne erkennbares Schamgefühl gibt der Autor zu, von dem Thema eigentlich nur marginal Ahnung zu haben. Sicher, sein Hauptaugenmerk liegt auf dem damals noch aktuellen Lied „11. September“, aber es wäre doch wünschenswert, dass man sich vorher ein wenig besser informiert, oder?
… Kleinen Moment. Das Lied heißt „11. September“, und an selbigem Datum kam es auch heraus. Und wann erschien der Text? Am… 12. September. Der Autor hat sich knapp einen Tag Zeit gelassen, um sich Gedanken zu machen und diese niederzuschreiben. Nein, ich spekuliere mal in eine ganz andere Richtung – er hat das Lied erst am nächsten Tag gehört und sofort, ohne groß nachzudenken, irgendetwas geschrieben, was ihm gerade in den Kopf kam. Versteht mich nicht falsch, ich sage nicht, dass Texte perfekt durchgeplant sein müssen, keineswegs. Aber es kommt mir beim Lesen so vor, als wäre der Autor einfach bitterböse gewesen, ohne vorher gründlich nachzudenken und sich eine wirkliche Meinung zu dem Thema zu bilden! So schreibt man meiner Meinung nach keine Kolumne. So schreibt man eine Facebook-Statusmeldung, die dann in der Masse untergehen kann, damit man sich nicht mehr lange dafür schämen muss.
Egal, lesen wir weiter.

Ich beziehe mich hier unter anderem auf sein momentan neuestes Video, das Raplied „11. September“, aber auch allgemein möchte ich meine Meinung über seine Art kundtun. Verschieben wir den Inhalt auf später – was einem bei seinen Videos mit als Erstes auffällt, ist seine gekonnte Art, zu sprechen, die ihn im Zusammenspiel mit seiner Stimme zu einem überzeugenden Redner macht. Im Lied „11. September“ kam ich nicht umhin zu bemerken, dass auch die Reime – nach wie vor ohne Betrachtung des Inhalts – gar nicht schlecht waren. Kurz gesagt: JuliensBlog hat ein großes Talent. Umso tragischer also, wie er dieses Talent verwendet.

Ah, der alte „Ich fang mal mit was Positivem an, damit ich nicht komplett als Hassprediger gelte“-Trick. An sich nichts Schlimmes (würde ich sicher auch machen), aber der letzte Satz, der wohl als clevere Überleitung gelten soll, bereitet mir bloß Kopfschmerzen. Wie wir sehen können, ist der Autor zutiefst enttäuscht von Julien, sein von ihm anerkanntes Talent so schändlich zu nutzen. Er weiß sicher besser, wie Julien seine Gabe nutzen sollte!

Sein Sprachstil sticht mit seiner provokanten Art deutlich heraus, beispielsweise wenn er erwähnt, dass es ihm scheißegal ist, dass in Afrika und anderen Ländern täglich Dutzende Menschen krepieren. […] Würden sich Juliens Provokationen auf diese missverständlich aggressive Ausdrucksweise beschränken, hätte ich auch absolut kein Problem damit – nur ist dem leider nicht so. Menschenverachtende Inhalte wie beispielsweise Rassismus und Homophobie, sowie Aussagen, die in die Richtung „Wenn Du selten Sex hast, bist Du ein Verlierer“ schlagen, finden sich in seinen Videos wie Sand am Meer. Auch das wäre zu verkraften – einer meiner Grundsätze lautet „Leben und leben lassen“, ich wäre also liebend gerne bereit, ihn zu ignorieren und ihn Videos machen zu lassen.

Er wäre eigentlich dazu bereit, ihn zu ignorieren und ihn Videos machen zu lassen. *seufz* Aber jetzt, wo seine „moralischen Grenzen“ übertreten wurden, wird er Julien ganz sicher nicht mehr ignorieren und… ihn davon abhalten, seine Videos zu machen? Glaubt der Autor durch seinen Text eine Revolution zu starten, die Julien von YouTube katapultiert? Oder wie stellt er sich das vor?

Wenn in seinen Texten Stellen vorkommen wie „Dauernd Frauen schlagen, Bitch, ich hab‘ schon blutige Hände“, ist das zwar moralisch fragwürdig, aber das kann ich mit mulmigem Gefühl ruhen lassen.

Da hat Julien aber noch einmal Glück gehabt.

Nicht im Geringsten tolerierbar und auch nicht ignorierbar finde ich hingegen, wenn er sich in extremer Weise über das Leid anderer Leute lustig macht oder es ad absurdum führt. Bei Zeilen wie „Ihr habt große Fresse auf der Anklagebank, dann sitzt ihr lebenslänglich wie der „Wetten, dass…?“-Hampelmann“, mit dem er sich auf den Unfall von Samuel Koch, der seit seinem Unfall bei „Wetten, dass…?“ gelähmt im Rollstuhl sitzt, bezieht, wage ich es gar nicht zu fragen, was in der Erziehung schief laufen muss, damit man eine derart missratene moralische Einstellung besitzt. Ähnlich schlecht wird mir bei „Ich hab‘ mehr Teenies weggeknallt als Anders Breivik“ oder „Denn ihr seid wie krebskranke Kinder, Zeitverschwendung“.

Ihm wird schlecht, meine Freunde! Wahrlich ein edelmütiger Mann, wenn er auf solche geschmacklichen Entgleisungen sogar körperlich reagiert! Sehen wir uns genauer an, welche Meinung dieser Held davon hat:

Beispiele wie diese finden sich überall im Lied und auch in anderen Videos. Ich möchte gar nicht versuchen, das mit anderen Wertvorstellungen zu begründen – man sieht deutlich, dass der „schwarze Humor“, wie Julien selbst ihn häufig bezeichnet, zu großen Teilen in Wirklichkeit sogenannter „kranker Humor“ ist, der seinen Witz also aus der Schockreaktion beziehen soll, die er hervorruft. Wenn Julien also beispielsweise sagt, er sei „atemberaubend wie Konzentrationslager“, mag man sich vielleicht einreden, dass es ein unglaublich lustiger, gewitzter Vergleich ist, tatsächlich sehe ich es aber so, dass, wenn man diesen Spruch toll findet und Julien, wie es viele Fans bereits tun, nach dem Mund redet, dann der Gedanke dahinter der ist, dass man sich gegen die moralischen Normen der Gesellschaft stellt und damit ein „ganz harter Hund“ ist, der sich nichts sagen lässt.

Ganz zweifelsohne haben wir es bei dem Autor mit jemandem zu tun, der stets absolut politisch korrekt ist, niemanden verletzt und es vermeidet, sich je über etwas oder jemanden lustig zu machen. Jemand wie er würde nie so etwas grauenvolles wie einen Holocaust-Witz machen!

Leute erlangen oft Aufmerksamkeit dadurch, dass sie […] auf Tatsachen hinweisen, vor denen wir nicht die Augen schließen dürfen. […] JuliensBlog tut das nicht. Er nimmt einfach die absurdesten, verletzendsten und grausamsten Vergleiche, widerspricht jeder Ethik und glaubt, das käme bei den Leuten gut an. Und das Traurige ist, dass es das anscheinend auch tut, wenn man sich die unglaublich hohe Resonanz, die seine Videos erfahren, mal anschaut.

Wenn das nicht sein erster Text gewesen wäre, würde ich ja sagen, da ist jemand neidisch, weil sein Blog nicht so bekannt ist. ;)

Und da unter seinen Zuschauern viele beeinflussbare Jugendliche und gar Kinder sind, bleibt Juliens Einstellung nicht nur bei ihm selbst, sondern findet sich auch in seinen Fans wieder.

Ich sag da gleich mal was zu…

Ich habe oft gehört, dass viele ihre Kinder später nicht RTL schauen oder BILD lesen lassen wollen, um sie vor schlechten Einflüssen zu schützen, und auch den Vergleich zwischen JuliensBlog und genannten Medien habe ich sehr häufig gelesen. Ich sehe Einflüsse wie JuliensBlog aber noch als weitaus gefährlicher. RTL und BILD mögen Kindern eine seltsame Ansicht der Welt einflößen und ihnen die Fähigkeit zu Hinterfragen nehmen; JuliensBlog nimmt ihnen jegliche Grundlage moralischer Werte, er züchtet keine Idioten heran wie BILD und RTL, sondern Rassisten und Homophobiker. Beides sollte in keinster Weise in Kontakt mit der Erziehung kommen, aber wenn man wählen müsste – mir sind Idioten weitaus lieber als Arschlöcher.

Ein schönes Schlusswort. Nicht so schön, weil es inhaltlich ziemlicher Blödsinn ist. Schön aber, weil es bedeutet, dass der Text endlich ein Ende hat.

Dann beziehe ich mich mal auf seine Aussage – mal abgesehen davon, dass er RTL und der BILD einen weniger schädlichen Einfluss zuspricht (mit welcher Begründung?). Der Autor ist der Ansicht, dass Julien schlecht ist, weil er Kinder verkorkst und sie zu Arschlöchern macht. Was für ein Müll. Ein gesundes Kind wird durch das Anschauen von ein paar moralisch fragwürdigen Videos nicht zu einem Mistkerl, der die gleichen Ansichten vertritt. Wenn das geschehen sollte, müsste man sich eher fragen, warum die Eltern des Kindes nicht aufpassen, was ihr Sprössling sich im Internet so anschaut, und welche Erziehung es genossen haben muss, um so anfällig für negative Einflüsse zu sein. Sprich: Wenn ein Kind durch Anschauen von Juliens Videos tatsächlich zum Arschloch werden sollte, dann ist das in erster Linie nicht Juliens Schuld, sondern die der Eltern. Das Internet und die Leute, die dort Inhalte bereit stellen, sollten nicht für die Erziehung der Kinder verantwortlich sein.

Natürlich hat Julien nach wie vor einen Humor, der mit Leichtigkeit moralische Debatten auslösen kann. Jeder Humor macht sich irgendwo über etwas oder jemanden lustig, Julien betreibt dies stellenweise in extremem Maße. Und selbstverständlich macht er das, weil es gut ankommt und er so viele Klicks bekommt. Warum will man ihm das vorwerfen? (Ich bin, nebenbei bemerkt, kein Fan von JuliensBlog. Das liegt aber daran, dass ich ihn ganz schlicht nicht lustig finde.)
Wer sich JuliensBlog bewusst anschaut, weil es ihm gefällt, wird davon nicht zu einem schlechten Menschen. Vermutlich hat Julien einige rassistische und homophobe Zuschauer, aber das sind sie auch ohne die Videos. Ich selber bin zwar keins von beidem, finde aber durchaus Gefallen an solchem Humor. (Und der Autor des obigen Textes auch, wie man in seiner Einleitung lesen kann, die ich allerdings ausgelassen habe.) Worauf es ankommt, ist, ob man den Humor von der tatsächlichen Meinung trennen kann.

Es ist euch bestimmt bereits aufgefallen, dass ich mit meiner Kritik reichlich spät komme – der Text ist heute exakt ein Jahr alt, und vielleicht hat der Autor seine Meinung bereits durchdacht und ist zu dem gleichen Schluss gekommen wie ich. Ich möchte ihn und auch euch auch gar nicht von meiner Meinung überzeugen. Vielmehr möchte ich ihm und euch einen Rat mit auf den Weg geben – ob ihr nun Texte schreibt, oder im ganz normalen Leben: Bildet eure Meinung nicht aus einem ersten, emotionalen Impuls heraus und klammert euch dann daran fest, weil ihr zu feige seid, zuzugeben, dass ihr Unrecht hattet. Und selbst, wenn sich eine Meinung dann mal als falsch herausstellt – ziert euch nicht, sie zu ändern! Vielleicht werde ich selbst diesen Text in einem Jahr komplett anders sehen und mich fragen, was ich mir bei diesen Worten gedacht habe. Ich sollte mir schon einmal überlegen, wie ich dann ironisch darauf Bezug nehmen kann.

3 Kommentare zu “Textkritik: JuliensBlog – 11. September

  1. JuliensBlog – 11. September – CodricsBlog

  2. Kann man hier disslikes geben? Wenn nicht würde ivh gerne mal dem hurensohn der das hier geschrieben hat und kritisiert aufs maul hauen. Du schwanzlutschende gottverdammte Arschgeburt

    • Guten Tag, Deine Mutter die in 2 tagen sterben wird,

      Es tut mir Leid, dass ich mich erst so spät um eine Antwort bemühe. Aus Deinem Kommentar meine ich, herauszulesen, dass Dir Teile meines Geschriebenen missfallen. Wärest Du so freundlich, mir mitzuteilen, was genau Dir an der Kolumne nicht gefallen hat? Damit würdest Du mir dabei helfen, meine Texte in Zukunft noch besser zu schreiben.
      Ich danke Dir für Deine Rückmeldung, treue Fans wie Du geben mir die Motivation, weiterzumachen!

      Mit freundlichen Grüßen,
      Codric

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